15 Juni 2021 11:45

Wie man Unternehmen in Schwellenländern bewertet

Die Welt ist vernetzter denn je. Durch Fortschritte in Wissenschaft und Technologie sind Volkswirtschaften aus allen Teilen der Welt voneinander abhängig geworden. Diese Interdependenz bedeutet, dass Unternehmen, die in Schwellen- und Grenzländern tätig sind, sowohl für Verbraucher als auch für Investoren aus Industrieländern zugänglich sind. Angesichts des ständig zunehmenden Wachstums von Schwellenländern wie Brasilien, Russland, Indien und China, die als BRIC-Staaten bekannt sind, suchen Anleger nach Möglichkeiten, ihre Portfolios zu diversifizieren, um Wertpapiere aus diesen Märkten aufzunehmen.

Die zentralen Thesen:

  • Investoren bauen ihre Portfolios auf, indem sie in Schwellenländer investieren.
  • Fondsmanager und Privatanleger benötigen zuverlässige Methoden, um Unternehmen aus Schwellenländern genau zu bewerten.
  • Die gleichen Ansätze, die für entwickelte Volkswirtschaften verwendet werden, können mit gewissen Anpassungen auf Schwellenländer angewendet werden.

Emerging Markets verstehen

Eine große Herausforderung, der sich viele Fondsmanager und Privatanleger gegenübersehen, ist die angemessene Bewertung von Unternehmen, die den Großteil ihres Geschäfts in Schwellenländern tätigen.

In diesem Artikel betrachten wir gängige Ansätze, die vom CFA Institute vorgeschrieben werden, zusammen mit den Faktoren, die bei der Wertschätzung von Schwellenmarktunternehmen berücksichtigt werden müssen.

Discounted-Cashflow-Analyse

Während die Bewertung eines Unternehmens aus Schwellenländern schwierig erscheinen mag, ähnelt der Prozess der Bewertung eines Unternehmens aus einer entwickelten Volkswirtschaft. Grundlage der Bewertung ist die Discounted-Cash-Flow-Analyse (DCF). Der Zweck der DCF-Analyse besteht darin, das Geld zu schätzen, das ein Anleger aus einer Investition erhalten würde, bereinigt um den  Zeitwert des Geldes.

Obwohl das Konzept das gleiche ist, gibt es Faktoren, die speziell für Schwellenländer berücksichtigt werden müssen. Beispielsweise sind die Auswirkungen von Wechselkursen, Zinssätzen und Inflationsschätzungen bei der Analyse von Unternehmen aus Schwellenländern besorgniserregend, da diese Märkte volatiler sind.

Wechselkurse werden von den meisten Analysten als relativ unwichtig angesehen. Obwohl die lokalen Währungen der Schwellenländer im Verhältnis zum Dollar (oder anderen etablierteren Währungen) stark schwanken können, folgen sie tendenziell der Kaufkraftparität (KKP) des Landes. Daher haben Wechselkursänderungen nur geringe Auswirkungen auf die künftigen inländischen Geschäftsschätzungen eines Schwellenmarktunternehmens. Dennoch kann eine Sensitivitätsanalyse auf die Wechselkursauswirkungen von lokalen Währungsschwankungen hinweisen.

Andererseits spielt die Inflation eine größere Rolle bei der Bewertung, insbesondere für Unternehmen, die in einem Umfeld mit potenziell hoher Inflation tätig sind. Zukünftige Cashflows werden sowohl nominal (ohne Berücksichtigung der Inflation) als auch real (inflationsbereinigt) geschätzt, um die Auswirkungen der Inflation auf die DCF-Schätzung für ein Schwellenmarktunternehmen zu neutralisieren. Durch die Schätzung künftiger Cashflows sowohl in realer als auch in nominaler Hinsicht und deren Diskontierung mit angemessenen Zinssätzen (wiederum ggf. inflationsbereinigt) werden die abgeleiteten Firmenwerte bei ordnungsgemäßer Berücksichtigung der Inflation relativ nahe beieinander liegen. Durch geeignete Anpassungen an Zähler und Nenner der DCF-Gleichungen werden die Auswirkungen der Inflation beseitigt.

Anpassungen für die Berechnung von DCF in Schwellenländern

Kapitalkosten

Eine große Hürde bei der Ableitung von Schätzungen des freien Cashflows in Schwellenländern ist die Schätzung der Kapitalkosten eines Unternehmens. Sowohl die Eigenkapital- als auch die Fremdkapitalkosten eines Unternehmens sowie die tatsächliche Kapitalstruktur selbst haben Inputs, die in Schwellenländern schwer zu schätzen sind. Die größte Schwierigkeit bei der Schätzung der Eigenkapitalkosten wird die Entscheidung über den risikofreien Zinssatz sein, da Staatsanleihen von Schwellenländern nicht als risikolose Anlagen angesehen werden können. Daher schlägt das CFA-Institut vor, die Inflationsratendifferenz zwischen der lokalen Wirtschaft und einer entwickelten Nation zu addieren und diese als Spread über der langfristigen Anleiherendite dieser entwickelten Nation zu verwenden.

Schuldenkosten

Die Fremdkapitalkosten können anhand vergleichbarer Spreads aus Industrieländern bei ähnlichen Schuldtiteln berechnet werden, die das betreffende Unternehmen betreffen. Addiert man diese zum abgeleiteten risikofreien Zinssatz, erhält man einen akzeptablen Fremdkapitalkostensatz vor Steuern – eine notwendige Eingabe für die Berechnung der Fremdkapitalkosten des Unternehmens. Diese Methodik berücksichtigt die Annahme, dass der risikofreie Zinssatz eines Schwellenmarktes tatsächlich nicht risikofrei ist.

Schließlich sollte für die Kapitalstruktur ein Branchendurchschnitt verwendet werden. Wenn kein lokaler Branchendurchschnitt verfügbar ist, ist ein regionaler oder globaler Durchschnitt eine Alternative.

Gewichtete durchschnittliche Kapitalkosten

Die Einbeziehung einer Länderrisikoprämie auf die gewichteten durchschnittlichen Kapitalkosten (WACC) des Unternehmens verbessert den DCF. Dadurch wird sichergestellt, dass bei der Verwendung von Nominalwerten zur Diskontierung der zukünftigen Cashflows des Unternehmens ein angemessener Abzinsungssatz verwendet wird. Es sollte eine Länderrisikoprämie gewählt werden, die zum Gesamtbild des Unternehmens und der Wirtschaft passt.

Bei der Auswahl einer Länderrisikoprämie gibt es eine feste Regel. Allerdings überschätzen häufig Einzelpersonen (sowohl Amateure als auch Profis) die Prämie. Eine vom CFA Institute empfohlene Methode besteht darin, die Prämie im Rahmen des Capital Asset Pricing Model (CAPM) zu betrachten, um sicherzustellen, dass die historischen Renditen der Aktie eines Unternehmens berücksichtigt werden.

Peer-Vergleich

Eine gründliche Bewertung sollte, ähnlich wie bei Unternehmen aus entwickelten Volkswirtschaften, einen Vergleich des Unternehmens mit Branchenkollegen beinhalten. Die Bewertung der Unternehmen gegen ähnliche Emerging Markets Unternehmen auf ein Vielfaches, nämlich das Unternehmen wird mehrere, liefern ein klareres Bild davon, wie das Geschäft stapelt sich relativ zu anderen in seiner Branche. Dies ist besonders relevant, wenn die Mitbewerber innerhalb derselben Schwellenländer konkurrieren.

Die Quintessenz

Die Bewertung von Unternehmen aus Schwellenländern mag wie ein schwieriges Unterfangen erscheinen. Die grundlegenden Bewertungsansätze für Unternehmen aus Entwicklungsländern können jedoch mit einigen Anpassungen auf Unternehmen aus Schwellenländern angewendet werden.

Da Nationen wie China, Indien, Brasilien und andere weiterhin wirtschaftlich wachsen und ihre Spuren in der Weltwirtschaft hinterlassen, wird die Bewertung von Unternehmen aus solchen Nationen ein wichtiger Bestandteil beim Aufbau eines wirklich globalen Portfolios sein.